Sammlerglück & Mehrwegflaschen
Flaschenfischer im Dreieckland

Wie die FlaschenfischerInnen zum Film kamen


Bei Wind und Wetter

Ihr Arbeitsplatz besteht aus mehr als fünfzig Orten, die über das Basler Stadtgebiet und die umliegende Region verteilt sind. Die FlaschenfischerInnen wissen genau, wann es sich lohnt, an welcher Stelle zu sein.

Nachdem die FlaschenfischerInnen durch die Luken der Altglascontainer geschaut haben, und sich das Auge an das dunkle Innere gewöhnt hat, versuchen sie, im Glasberg Pfandflaschen zu erkennen.
Das rechtwinklig abgebogene Ende des Hakens wird sorgfältig in den Flaschenhals geschoben. Die Flasche wird mit der Öffnung nach unten auf der Metallstange rückwärts in Richtung Einwurf balanciert, wo sie mit der anderen Hand entgegengenommen werden kann. Einer verschlossenen Flasche legt die Flaschenfischerin eine Schlaufe um den Hals, die sich mit einem Ruck so festzieht, dass es möglich ist, die Flasche herauszuangeln.

Die FlaschensammlerInnen erleben viel mit Leuten, die ganz banal ihre Flaschen entsorgen. Im Allgemeinen tue man so, als sähe man einander nicht. Die hauptsächlichen Schwierigkeiten für die FlaschenfischerInnen entstehen bei der Rückgabe der Depotflaschen, da sie in manchen Filialen der Grossverteiler Hausverbot haben.

Wer jeden Tag draussen arbeitet, hat entweder ein feinfühliges Verhältnis zu den Jahreszeiten oder legt sich eine dickhäutige Gleichgültigkeit nicht nur gegenüber dem Wetter zu.


Arm oder reich

Von aussen betrachtet gibt ein leicht schmuddeliger Mensch, der im Altglascontainer rumwühlt, ein Bild offensichtlicher Armut ab. Dazu kommt die Selbstverständlichkeit, mit der die FlaschenfischerInnen zur Sache gehen. Dadurch schaffen sie eine Distanz, welche die Flascheneinwerfenden in einem Zustand zwischen peinlichem Berührten und Unverständnis oder Gleichgültigkeit zurücklässt. So entsteht ein weites Feld für Projektionen und Gerüchte. Die Spannbreite der Vorstellungen reicht von Penner, Alkoholiker zu armen Menschen die Unterstützung benötigen, oder Rentnern, die nichts mit ihrer Zeit anzufangen wissen. Oder es wird von ein vollständig natürlichen Lebensweise gesprochen und auf das Leben der Waldmenschen verwiesen. Dazu gesellen sich die Gerüchte, dass mancher der Flaschensammler es bis zu einem eigenen Haus geschafft hätte, und jedes Jahr in den Urlaub ans Meer fliegen würde.

All diese Deutungen sagen weniger über die reale Situation der FlaschenfischerInnen aus, als über die Personen, die solche Vorstellungen entwerfen. Die Frage nach dem Unterschied zwischen den gesellschaftlichen Bildern von Armut und dem Selbstverständnis derer, die in diesen Bildern festgehalten werden, drängt sich auf. Während den drei Jahren, in denen wir gute zehn Stunden Filmmaterial belichteten, und einige Stunden Gespräche aufzeichneten, habe ich viele vorgefasste Vorstellungen über Bord geworfen und bin auf manche verunsichernde aber auch lustige Antwort gestossen.

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